Rückwirkende Anwendung des Erbschaftssteuergesetzes

Das am 28. Dezember 1996 in Kraft getretene Erbschaftssteuerrecht gilt rückwirkend auch für Erbschaften und Schenkungen ab dem 1. Januar 1996.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht das alte Erbschaftssteuerrecht für verfassungswidrig erklärt hatte, durfte die Finanzverwaltung das alte Recht eigentlich nur noch bis zum 31. Dezember 1995 verwenden. Das neue Erbschaftsteuergesetz trat aber erst am 28. Dezember 1996 in Kraft. In der Übergangszeit vom 1. Januar bis zum 27. Dezember 1996 wendete die Finanzverwaltung daher vorläufig weiterhin das alte Recht an. Als das neue Erbschaftssteuerrecht dann in Kraft getreten war, wurde es rückwirkend auf alle Vorgänge in der Zeit ab dem 1. Januar 1996 angewendet, wobei nicht selten nachträglich eine höhere Steuer festgesetzt wurde als bei der vorläufigen Festsetzung.

Bei den Ertragssteuern sind solche rückwirkenden Änderungen zum Jahresbeginn in den letzten Jahren zur unschönen Regel geworden. Dies wird vom Bundesverfassungsgericht aber als sogenannte "unechte Rückwirkung" akzeptiert: Da der Steueranspruch des Staates bei den Ertragssteuern erst nach Ablauf des jeweiligen Jahres entsteht und somit auch erst dann ein rechtlicher Sachverhalt geschaffen wird, wirkt sich eine Gesetzesänderung vor Ablauf des Jahres noch nicht rückwirkend auf die Rechtsposition des Steuerpflichtigen aus. Der Steuerzahler kann sich also in so einem Fall nicht auf Vertrauensschutz berufen, selbst wenn er bereits unwiderruflich auf der Grundlage des alten Rechts disponiert hat.

Anders sieht es aus bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, denn hier entsteht der Steueranspruch des Staates nicht erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Vermögensübergang stattgefunden hat, sondern sofort. Die rückwirkende Anwendung des neuen Erbschaftsteuerrechts 1996 war also eine vom Bundesverfassungsgericht normalerweise nicht tolerierte echte Rückwirkung.

Der Bundesfinanzhof ist nun aber der Meinung, dass dieser Grundsatz für die Gesetzesänderung 1996 ohne Belang und die rückwirkende Änderung daher verfassungsgemäß ist - mit der Begründung, dass die vorläufige Steuerfestsetzung und eine nachträgliche Korrektur auch unter Berücksichtigung der Interessen des Steuerpflichtigen tragbar und angemessen sei. Außerdem hätten die Steuerpflichtigen mit einer Änderung und einer damit einhergehenden höheren Steuer rechnen müssen, nachdem das Bundesverfassungsgericht das alte Recht in seiner Geltung bis zum 31. Dezember 1995 beschränkt hatte.

Diese Begründung im Urteil des Bundesfinanzhofes ist nicht unumstritten, und es bleibt abzuwarten, ob nicht noch Verfassungsbeschwerde erhoben wird. Falls Sie auch von dieser Rückwirkung betroffen sind, sollte der Steuerbescheid daher weiter offen gehalten werden, zum Beispiel durch Antrag auf Ruhen des Einspruchs- oder Klageverfahrens oder Antrag auf vorläufige Steuerfestsetzung.

 
[mmk]